Das Dachdeckergeschäft Borr in Oberstein
Geschichten aus dem alten Oberstein
Seit mehr als 100 Jahren hat sich die Familie Borr in der Obersteiner Hasbachstraße dem Dachdeckerhandwerk verschrieben, genaue Zahlen kennt man nur sehr vage. Der Großvater des heutigen Inhabers, Peter Borr II (1883 - 1949), kam mit seinen Eltern Peter Borr I, beide ebenfalls Dachdecker, und dessen Ehefrau Luise, geb. Alexander, um 1860 aus dem Elsass nach Frauenberg. Grund der Übersiedlung war der Bau der Eisenbahnlinie entlang der Nahe, hier versprach man sich eine bessere Geschäftslage durch gute Aufträge.
Peter Borr II, der in Frauenberg geboren wurde, kam dann mit seinen Eltern im Jahr 1911 nach Oberstein in die Hasbachstraße, wo sich das Unternehmen heute noch befindet. Man bewohnte ein kleines Häuschen und übte mit bescheidenen Mitteln das Handwerk aus.
1912 heiratet Peter Borr II die Goldschmiede Gehilfin Luise, geb. Forster und sie bekamen sieben Kinder: Hilda (*1912), Robert (*1914), Erna (*1915), Helmut (*1920), Elfriede (*1922) und Werner (*1926). Ein Sohn verstarb leider schon in früher Kindheit. Helmut und Werner erlernten beide des Vaters Handwerk im Familienbetrieb, doch als der 2. Weltkrieg ausbrach, wurden alle Söhne zum Dienst an der Waffe gerufen. Robert kam leider nicht wieder zurück. Peter Borr II konnte das Geschäft alleine nur sehr spärlich aufrechterhalten, denn auch alle anderen Gesellen waren im Krieg.
Helmut Borr kam zunächst zum Arbeitsdienst, anschließend nach Koblenz und von dort nach Bad Schandau in Elbsandsteingebirge, wo er seine spätere Ehefrau Annelies Petters (*1925) aus Rathmannsdorf kennen lernte und die er 1944 heiratete.
Die gelernte Verkäuferin ist die Tochter des Fabrikarbeiters Emil Petters und dessen Ehefrau Lina, geb. Endler. Helmut Borr war Teilnehmer am Polenfeldzug, von dem er an Malaria erkrankt zurückkehrte, um in Dresden in einem Lazarett Erholung zu finden. Anschließend kam er als Reservist nach Frankreich, ehe er im Juni nach Hause kommen konnte.
Zusammen mit Vater, Bruder und seiner Ehefrau Annelies, die schon vorher nach Oberstein kam, machte er sich sofort an den Neustart des familieneigenen Dachdeckerbetriebs. Dieser und auch das Materiallager auf der Idar war sehr in Mitleidenschaft gezogen, es mangelte an allem, was zum Arbeiten gebraucht wurde. Durch gute Bekanntschaft mit Walter Steffen, Geschäftsführer der Fa. Leyser in Oberstein, konnten wieder Werkzeuge und Materialien angeschafft werden, so dass ein langsamer Aufbau des Geschäfts wieder möglich wurde. Auch die Gesellen standen wieder zur Verfügung. Manch einer kam von Stiphausen oder gar von Bundenbach mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit. Leiterwagen und Handkarren, die zur Verfügung standen, ein Fahrzeug konnte erst viel später angeschafft werden.
Annelies Borr, die ja gelernte Verkäuferin war, kümmerte sich zunächst um die Schreibarbeiten. Die "Säckelbuchhaltung" des Schwiegervaters Peter Borr II, der für diese Zwecke stets ein kleines Büchlein in der Hosentasche hatte, war damit beendet. Als sie dieses alles im Griff hatte, sagte sie eines Tages zu ihrem Mann: „So, jetzt will ich auch wissen, wie das Dachdeckerhandwerk funktioniert!“. Von diesem Tag an ging Annelies Borr mit zu den Baustellen und erlernte nach und nach Dachdeckerarbeiten auszuführen. Mehr als 10 Jahre arbeitete Annelies Borr mit den Männern mit und zog daneben noch drei Kinder groß, Anita (*1945), Manfred (*1947) und Lothar (*1952). Oft arbeitete sie an Flachdächern, wo ein Bitumenkocher im Einsatz war.
Im Jahre 1954 war es dann so weit, das erste Lastauto konnte gekauft werden. Es war ein Opel Nlitz. Drei Jahre später machte auch Annelies den Führerschein, damit sie das Autofahren konnte. Sohn Manfred ging 1962 beim Vater in die Lehre und hat bis heute immer im eigenen Betrieb gearbeitet. 1991 übernahm er den Betrieb vom Vater, man gründete eine GmbH, deren Geschäftsführer er bis 2012 war. Mutter Annelies blieb Prokuristin bis Ende 2009, dann übergab sie das Amt an ihren Enkel Jan Peter Borr (*1977) Sohn von Manfred Borr, der ebenfalls Dachdecker ist. 1991 wurde die Firma modernisiert, ein LKW mit Kran wurde angeschafft. Heute verfügt das Unternehmen über einen weiteren LKW mit Kran und einer Hebebühne, die in 28 Metern Höhe Arbeiten zulässt, sowie über drei Pritschenwagen mit Doppelkabinen, die als Werkstattwagen mit Klempnermaschinen im Einsatz sind.
Viele Lehrlinge wurden in all den Jahren ausgebildet, Thomas Brunk, Dennis Borr und Jürgen Mörscher, der auch seinen Meisterbrief erwarb, arbeiten heute noch in der Firma, Bruder Lothar Borr, der, bevor er Dachdecker wurde, Klempner und Installateur erlernte, arbeitet bis 2012 im traditionellen Betrieb der Dachdeckerfamilie Borr.
Der jüngste Spross, Jan Peter Borr hat 2012 als Geschäftsführer das Unternehmen übernommen um das Erbe seiner Väter und Urväter in deren Sinne fortzuführen, weit mehr als 100 Jahre sind eine große Verpflichtung.